Deckt die Photovoltaik die Winterstromlücke?

Spätestens ab 2050 wird sich die Schweiz ohne Atomkraft und ohne fossile Energien mit Strom versorgen müssen. Das dürfte insbesondere im Winter nicht ganz einfach sein. Wir zeigen, was die Photovoltaik zur Energieversorgung in der kalten Jahreszeit beitragen kann.

6 Min.
Einfamilienhaus mit Indach-PV-Anlage an einem grauen Wintertag

Just als im Herbst der erste Morgenfrost zu beobachten war, meldeten sich in den Schweizer Medien wieder vermehrt Politikerinnen und Politiker zu Wort, um vor einer drohenden Winterstromlücke zu warnen. Der Hintergrund: Bis 2050 will der Bundesrat auf eine Energieversorgung ohne Kernkraft und ohne fossile Energieträger umstellen. Kompensiert werden soll dies durch den Zubau erneuerbarer Energien, insbesondere von Photovoltaik (PV). Dass sich damit an sonnenarmen Wintertagen die Versorgung gewährleisten lässt, scheint jedoch nicht gesichert. EnergieSchweiz hat daher untersuchen lassen, wie viel die Photovoltaik zur künftigen Winterstromversorgung beitragen kann.

Verschiedene Zubau-Szenarien

Die Anfang 2021 publizierte Studie «Winterstrom Schweiz: Was kann die heimische Photovoltaik beitragen?» geht davon aus, dass hierzulande künftig rund 30 TWh Photovoltaik-Strom pro Jahr produziert werden. Dies entspricht dem Zwölffachen der heutigen Produktion. Wie viel davon im Winter hergestellt werden kann, hängt vom Ausmass und von der Art des Photovoltaik-Zubaus ab. Im Rahmen der Studie prüften die Autoren drei verschiedene Szenarien:

  1. Zubau wie bisher: Entwickelt sich der Zubau ähnlich wie bisher, entfallen in Zukunft rund 27 % des PV-Stroms auf das Winterhalbjahr. Bei 30 TWh Gesamtproduktion sind das etwa 8,1 TWh Winterstrom aus der Photovoltaik.
  2. Maximaler Ausbau: Bei einer konsequenten Ausrichtung des Zubaus auf eine möglichst hohe Winterstromproduktion kann der Anteil des Winterstroms auf 35 % gesteigert werden. Bei einer Jahresproduktion von 30 TWh entspricht dies etwa 10,5 TWh.
  3. Anreize: Durch gezielte Anreize zum Ausbau der Winterstrom-Photovoltaik lässt sich der Winterstromanteil inskünftig auf 30 % erhöhen, was eine Produktion von etwa 9 TWh bedeutet.
Säulendiagramm: monatliche Produktion gemäss den drei Szenarien
Die Grafik zeigt, wie sich die Monatsproduktion des PV-Stroms je nach Zubauszenario entwickelt. (Grafik: EnergieSchweiz)

Maximalausbau nicht sinnvoll

Der Vergleich der drei Szenarien zeigt, dass sich selbst bei einem maximalen Ausbau (Szenario 2) der Anteil des Winterstroms im Vergleich mit Szenario 1 nur um 8 % steigern lässt. Zudem müsste bei diesem Szenario 25 % mehr Leistung installiert werden, um 30 TWh Jahresproduktion zu erreichen, weil die Ausrichtung auf den Winterstrom die Gesamtproduktion reduziert. Die Kosten für den Zubau wären 40 % höher als beim Basisszenario 1. Die Autoren der Studie erachten das Szenario 2 daher aus wirtschaftlicher Sicht nicht als sinnvoll.

Mittelweg dank Anreizen

Das dritte Szenario mit den Anreizen für den Winterstrom-Zubau – zum Beispiel in den Alpen (siehe Ausklapp-Element) – stellt einen Mittelweg dar. Zwar erhöht sich die Stromproduktion im Winterhalbjahr dadurch nur um knapp 1 TWh im Vergleich zum Szenario 1. Dafür lässt sie sich so aber in den drei besonders kritischen Monaten Dezember, Januar und Februar um mehr als 20 % steigern. Die Kosten für das Szenario 3 dürften gemäss der Studie etwa 6 % höher ausfallen als beim Basisszenario 1, weil winteroptimierte PV-Anlagen etwas teurer sind als herkömmliche Anlagen. Die Stromgestehungskosten lägen dadurch circa 0,4 Rappen pro Kilowattstunde höher. Aus Sicht einer möglichst hohen Schweizer Eigenstromversorgung im Winter scheint Szenario 3 mit den Anreizen für winterstromoptimierte Photovoltaikanlagen am vielversprechendsten zu sein.

Stark steigender Strombedarf im Winter

Was bedeuten die Resultate der Studie im Vergleich mit der mutmasslichen Winterstromlücke? Schon heute liegt der Schweizer Stromverbrauch im Winterhalbjahr bei über 30 TWh. Aufgrund der Elektrifizierung der Energieversorgung wird er weiter zunehmen. Gemäss einer Prognose der Empa (PDF) ist dafür insbesondere der Zubau an Wärmepumpen auf 75 % verantwortlich, der den Strombedarf im Winterhalbjahr um etwa 7,5 TWh erhöhen könnte. Auch die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen steigert den Bedarf, in diesem Fall rechnet man mit knapp 2 TWh (siehe Grafik), wenn zwei Drittel aller Fahrten mit E-Autos zurückgelegt werden.

Diagramm: zusätzlicher Strombedarf durch Wärmepumpen und Elektromobilität im Jahresverlauf
Die Grafik aus der Studie der Empa zeigt, dass vor allem wegen des Zubaus von Wärmepumpen der Strombedarf im Winter stark ansteigen wird. (Grafik: Empa)

In Zukunft muss die Schweizer Stromversorgung also im Winterhalbjahr fast 10 TWh mehr liefern können. Gleichzeitig fällt der Strom aus der Kernkraft weg, die in diesem Zeitraum derzeit etwa 10 bis 12 TWh liefert. Dazu kommt, dass die Schweiz schon heute auf Stromimporte angewiesen ist. Von Oktober 2020 bis März 2021 betrug das Stromhandelsdefizit zum Beispiel rund 1,8 TWh. Künftig droht im Winterhalbjahr also eine Stromlücke von mehr als 20 TWh.

PV allein wird es nicht richten

Die Photovoltaik wird gemäss der EnergieSchweiz-Studie bei einem Zubau wie bisher in Zukunft 8 TWh Winterstrom liefern. Bei einem optimierten Zubau durch spezielle Anreize liegt noch 1 TWh mehr drin – aber auch 9 TWh PV-Strom werden bei Weitem nicht ausreichen, um die winterliche Versorgungslücke zu decken. Natürlich: Künftig ist jede Kilowattstunde Winterstrom wichtig, um unsere Energieversorgung zu unterstützen. Die Photovoltaik wird jedoch nicht die alleinige «Retterin in der Winterstromnot» sein – es wird weitere Massnahmen brauchen.

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  • DOMINIK TOBLER

    Vor 3 Jahren

    Ich selber besitze 12.775KWatt Anlage und wenn ich sehe dass es bei nur 1cm Schnee gar nichts mehr geht und auch bei Nebel sehr schwache Ergebnisse erhalte frage ich mich wie es funktionieren sollte ohne AKW da ja Wärmepumpen Elektroautos und viele Jobs Stromabhängig sind. Da muss mal vom Bund die Realität gesehen werden und nicht nur Theorien

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    • Fülli

      Vor 3 Jahren

      Naja, man kann und darf dies nicht 1:1 vergleichen.
      Wenn die Module 70% Neigung haben, wird Schnee kaum ein Problem sein und Nebel ist in den Bergen eben auch kein grosses Thema.. 😉

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    Hans Schaub

    Vor 3 Jahren

    Im Mittelland ist die Ausbeute meiner Solaranlage während der Wintermonate um die 10% der Nennleistung. Hochnebel,Wolken, geringe Schneedicke.
    Bilder aus den Berggebieten zeigen seit November zwischen 20 – 50 cm Schnee auf den Hausdächern. Es nicht anzunehmen, dass dort künftig die Hausbesitzer den Schnee wegräumen werden um die Panels aktiv zu machen.
    Solarstrom von 9 Monaten kann den Bedarf in den Wintermonaten nicht decken. Zumal auch Verbraucher mit Solaranlagen während der Wintermonate ihrem eigenen bedarf aus dem Netz beziehen müssen.

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  • Rene Näf

    Vor 3 Jahren

    Ich habe seit 5 Jahren eine 11.5kWp Anlage im Einsatz. Aus meiner Sicht muss nebst sehr effizienten Winteranlage n vor allem in die Sommerspeicherung investiert werden. Meine PVA produziert 14 MW pro Jahr. Das reicht eigentlich fürs ganze Jahr. Den Überschuss nicht ins Ausland verkaufen sondern in geeigneten Speichern regional Zwischenspeichern (Z.B.: Power-to-Gas; Speicherseen etc; projekte gibt es einige)

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  • Ruedi Waser

    Vor 3 Jahren

    Behauptungen alleine machen keinen Strom. Es wird sehr schwierig werden im Winter.

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  • Sebastian Krüger

    Vor 3 Jahren

    Warum genau ist der «Maximalausbau» nicht sinnvoll? Der Text gibt darüber keine klare Erklärung. Geht es vielleicht nicht um «maximal» insgesamt sondern um «maximal» bezüglich Ausrichtung auf Wintersonne? Bei uns im Dorf sind 90% der Dächer ohne Photovoltaik. Es ist doch wohl selbstverständlich, dass diese Potential so schnell wie möglich maximal(!) ausgenutzt werden sollte. Ich habe den Eindruck, dass man hier Ausreden sucht, um nicht zuviel verändern zu müssen.
    Ausgebaut werden sollte alles über der Nebengrenze mit Priorität, und das heisst nicht, dass das alles «alpine» Standorte wären.

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  • Remo Cavegn

    Vor 3 Jahren

    Bei schlechtes Wetter oder in der Nacht wo der Bedarf sehr gross ist, da ist die Photovoltalik lächerlich und am Tag bei Sonnenschein, ist der Strombedarf nicht so gross.
    Warum man nicht mehr im Speicher investiert ist mir fraglich, möglichkeiten gibt es ja. In jedem man in Hochhaus oder Schächte sowie in Neubau mit Pendel -Gewichte verbauen würde um den den Elektro-Speicher für die Nacht wie z.B im Tessin ; https://www.srf.ch/wissen/nachhaltigkeit/neue-super-batterie-kann-dieser-turm-unsere-energiezukunft-sichern

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  • Cristiano Richers

    Vor 3 Jahren

    Ein interessanter Artikel zum Thema «maximaler Ausbau», basierend auf einer Doktorarbeit aus den USA. PV Anlagen zu bauen ist sehr wahrscheinlich günstiger als Langzeitspeicher. Vor allem die viel genannten Power to X Anlagen mit miserablem Wirkungsgrad.
    https://qz.com/1950381/the-case-for-producing-way-more-solar-energy-than-we-need/

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  • Frank

    Vor 3 Jahren

    Jedes Haus ein kleines Kraftwerk. Diesen Satz, habe ich bereits vor Jahren mal von einem östreichischen Politiker gehört und er macht für mich Sinn. Gerade jetzt, wo man sieht ( Nordsream2) wurde gebaut und die Russen verknappen das Angebot. Benzin und Öl gehen durch die Decke etc. wie wichtig es wäre, dass wir so autonom wie möglich wären. Deshalb kommt jetzt bei mir auch eine Photovoltaik Anlage aufs Dach gut 10 KWatt. Reicht fürs Haus und den Tesla. Ja mit der Speichrung muss noch vorwärts gemacht werden. Also los. Jeder sollte sein kleines Kraftwerk werden

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  • Norbi

    Vor 3 Jahren

    Die Windräder werden abstellt, weil zu wenig Strom abgenommen wird ?
    Da gilt dasselbe wie für den im Sommer zu viel generierten Strom !
    Es gibt eine Alternative: Den überschüssigen Strom – der quasi gratis ist – in Wasserstoff konvertieren und im Winter per Brennstoffzelle daraus wieder Strom generieren. Will natürlich weder die EKZ noch irgendein anderer Netzbetreiber, weil dann nicht genug Geld in die Kasse kommt. Obwohl der Wirkungsgrad mit Wasserstoff nicht sehr hoch ist, verstehe ich nicht, warum das nicht diskutiert wird.
    Ebenso könnte man vermutlich senkrechte Windturbinen, vor allem im Mittelland und im Herbst/Winter zur Energiegewinnung nutzen. Und diese bei Überschuss ebenso in Wasserstoff konvertieren und speichern. Deutlich höhere Energiedichte als nicht nachhaltige Batterien ! In Davos ist ein Landwirt tatsächlich dran, seine Solarpanels vom Schnee zu befreien – liegt ca. einen Meter hoch.

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  • Stefan Bräuer

    Vor 3 Jahren

    Ich habe nur ein Panel am Balkon mit 60° Neigung gegen Süden. Das hat mir an den (wenigen) sonnigen Tagen jetzt im Januar fast soviel Ertrag ergeben wie im Sommer! Weiter oben mit weniger Schatten von den umliegenden Häusern wäre es noch besser. Schnee bleibt bei 60° kaum liegen. Es ist also nur das Wetter, sprich v.a. der Nebel, der den Ertrag mindert – und das kann in höheren Lagen massiv verbessert werden. Die Winterlücke ist dann gar nicht so gross und es bleibt die Überbrückung von ein paar Schlechtwettertagen und natürlich für die Nacht. Das ist machbar, v.a. wenn man akzeptiert, dass Energie auch etwas (mehr) kosten darf.
    Wir haben übrigens eine Marktwirtschaft: Das ist die Optimierung von Nachfrage und Angebot. Momentan ist Nachtstrom noch immer viel billiger als tagsüber. Wieso soll es nicht umgekehrt sein? Es wird dann sicher weniger Strom gebraucht in der Nacht und Speicherlösungen werden gleichzeitig rentabel! Vertrauen wir auf die Marktwirtschaft. Das einzige, was diese braucht, ist Planbarkeit. D.h. klare politische Vorgaben, z.B. Förderabgaben auf Nachtstrom, jedes Jahr 1 Rappen mehr pro kWh.

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  • niklaus schaer

    Vor 3 Jahren

    Mir fehlt bei diesen Erwägungen folgendes:
    1. Soviel ich weiss, exportieren wir im Sommer Strom. Diesen kann man Akkus oder via H2 speichern. Wurde dies inklusive die dabei entstehenden Energieverluste berücksichtigt.
    2. Momentan wird PR-mässig ein sehr hoher Druck ausgeübt, um v.a. LKW’s auf Wasserstoffgas umzupolen.Das könnte evtl. einen drastischen Mehrverbrauch bewirken. Wurde dem Rechnung getragen?
    3. Eine alternative zur PV bestünde darin, dass man relativ kurzfristig rezyklierbare Energie verwendet wie z.B. Rapsöl, welches sich sicher für den Fahrzeugantrieb (sicher auch für Dieselgeneratoren) eignet und laut einer Studie der EU auch eine positive CO2-Bilanz aufweist.

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  • Adrian Felder

    Vor 3 Jahren

    Die Schweiz besitzt mit ihren Höhenunterschieden enormes Potenzial für Energiespeicherung mit Wasserkraft. Wasserkraft hat zudem sehr hohe Wirkungsgrade, wieso wird dieses Thema nicht aktiv angegangen?!?

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  • Eva Krebs

    Vor 3 Jahren

    Bin sehr froh um grosse überdachte Schritte punkto Erneuerbaren. Neue Atomtechnik wenn auch klein ist mir sehr unsympathisch. Auch Windräder finde ich gat nicht unschön! Ihr Anblick tut mir wohl. Wenn man ein Blatt schwarz anmalt fliegen die Vögel nicht rein. Auch die neuen Stauseen freuen mich sehr. Danke für jeden Einsatz!
    Die Schweiz hat grosse Vorbildfunktion und wird über die Touristen die Welt mit sauberer Luft inspirieren. 💚🍀💚

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  • Barner Helmut

    Vor 2 Jahren

    Wärmedämmung von Häusern + Solar + Wärmepumpen, das muss es sein. Ist aber bei Stromgiganten nicht beliebt, da die Bürger unabhängiger werden, nicht mehr am Gängelkabel hängen, nicht mehr mit Preisdruck geknebelt werden können.

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  • Max Sennhauser

    Vor 3 Monaten

    Ich lebe in einer STWE Gemeinschaft mit 6 Eigentümern. Wir würden eine Anlage Bauen die ca. 42 kWp liefern würde. Leider sind die Kosten für die Stromverteilung (z.B. ZEV Abokosten) und die Bezugssteuerung (Zählerkosten, Stromverteilung, Smartmeter usw.) technisch noch nicht sauber gelöst und nach meinem Wissen viel zu Teuer. In der heutigen Zeit mit KI sollte etwas mehr möglich sein.

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