Wie die Luft von CO₂ befreit werden kann

Um die Klimaerwärmung zu stoppen, müssen wir den CO2-Ausstoss reduzieren. Da dies in einigen Bereichen aber noch nicht möglich ist, rücken vermehrt Möglichkeiten in den Fokus, wie sich CO2 aus der Luft abscheiden und dauerhaft speichern lässt.

8 Min.
Technische Einrichtung vor einer grünen Landschaft

Das Hauptziel der internationalen Klimapolitik ist seit dem Klimaübereinkommen von Paris im Jahr 2015 klar: Die Erderwärmung begrenzen und so dem Klimawandel entgegenwirken. Damit dies gelingt, müssen die CO2-Emissionen möglichst rasch reduziert werden, weil sie ein wesentlicher Treiber der klimatischen Veränderungen sind. Heute wissen wir, dass null CO2-Emissionen wohl nicht realisierbar sind – zumindest nicht in nützlicher Frist. Der Weltklimarat IPCC hat deshalb schon 2018 in einem Sonderbericht festgehalten, dass es eine CO2-Entnahme aus der Atmosphäre braucht, um die Klimaziele durch «Netto-Null» zu erreichen.

Ansätze für CO2-Entnahme

Die verschiedenen Möglichkeiten zum Abscheiden von CO2 werden als Negativemissionstechnologien (NET) bezeichnet. Dabei handelt es sich sowohl um natürliche wie auch um technische Verfahren, welche Treibhausgase – vor allem CO2 – dauerhaft aus der Atmosphäre entfernen. In der Publikation «CO2 aus der Luft entfernen» stellt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) fünf dieser Verfahren näher vor und zeigt, welches Potenzial sie in der Schweiz haben.

Wald als CO2-Speicher

Eine der natürlichen NET ist die Bewirtschaftung des Waldes. Bäume nehmen während ihres Wachstums CO2 aus der Luft auf – in der Schweiz jährlich rund 2,5 Millionen Tonnen – und wandeln es in organisches Material um. Damit der Wald auch künftig möglichst viel CO2 bindet, muss er optimal an den Klimawandel angepasst sein. Zudem sollte das geerntete Holz möglichst in Gebäuden verbaut statt verbrannt werden. Das Potenzial für negative Emissionen durch die Waldbewirtschaftung liegt bei 1 bis 2 Millionen Tonnen CO2. Allerdings ist dafür eine hohe Nachfrage nach Schweizer Holz nötig.

Grüner Wald umgibt einen See
Der Schweizer Wald dient als Lebensraum und Erholungsgebiet und kann ausserdem viel CO₂ speichern. (Bild: Pixabay/Jörg Vieli)

CO2 im Boden speichern

Nicht nur Holz speichert CO2, sondern auch der Boden. Kohlenstoff in Form von Humus verbessert sogar die Ernteerträge, was die Landwirtschaft schon lange erkannt hat. Die landwirtschaftliche Bodennutzung liesse sich optimieren, sodass mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert bleibt. Das Potenzial liegt bei bis zu 2,7 Millionen Tonnen CO2-Einbindung pro Jahr, wobei dies nur für wenige Jahrzehnte möglich ist, bevor der Boden gesättigt ist. Eine Alternative ist das Verkohlen von pflanzlicher Biomasse unter grosser Hitze, wodurch eine sehr stabile Pflanzenkohle entsteht. So könnten theoretisch 2,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr im Boden oder anderweitig gelagert werden. Heute ist allerdings noch unklar, wie sich dies langfristig auf die Umwelt auswirken würde.

CO2 am Kamin abscheiden

Wenn Biomasse verbrannt wird, entsteht CO2. Dieses lässt sich direkt am Kamin abscheiden und speichern, was zu negativen Emissionen führt. Dieser Ansatz hat in der Schweiz ein grosses Potenzial: Gemäss dem BAFU könnten so jedes Jahr theoretisch 5,1 Millionen Tonnen CO2 abgeschieden und gespeichert werden. Eine Anlage für «Bioenergy with Carbon Capture and Storage» (BECCS) existiert hierzulande zwar noch nicht, es wird aber intensiv an der Technik geforscht. Knackpunkt ist die sichere Speicherung von CO2 im Untergrund, wofür man erst geeignete Standorte finden muss. Alternativ könnte das abgeschiedene CO2 in geologische Speicher im Ausland transportiert werden – unter der Nordsee sollen bald solche Kapazitäten entstehen.

CO2 aus der Luft filtern

Ähnlich funktioniert auch Direct Air Carbon Capture & Storage (DACCS). Das CO2 wird allerdings nicht direkt bei der Freisetzung abgeschieden, sondern durch Kollektoren aus der Luft herausgefiltert. Anschliessend wird es ebenfalls im Untergrund gespeichert. Die Methode hat global gesehen viel Potenzial, es gibt aber nebst der Speicherfrage auch noch andere Hürden zu meistern. Die Technik benötigt momentan noch viel Energie und viel Platz und ist zudem teuer. Ein Vorteil ist dafür die Standortunabhängigkeit: Die Filteranlagen kann man direkt dort bauen, wo sich das abgeschiedene CO2 auch speichern lässt. Die Schweiz könnte künftig negative Emissionen, die durch DACCS im Ausland erbracht werden, einkaufen.

Beschleunigte Verwitterung

Eine weitere technische Massnahme zur Entnahme von CO2 aus der Luft beruht auf dem natürlichen Effekt, dass verwitterndes Gestein CO2 binden kann. Dabei wird bei der Herstellung von Beton anstelle von Kies ein Granulat aus Abbruchbeton eingesetzt, das davor gezielt mit CO2 angereichert wurde. Mit einer solchen Rekarbonisierung liessen sich in der Schweiz jährlich 2,5 Millionen Tonnen CO2 dauerhaft speichern – sofern der gesamte Abbruchbeton rekarbonisiert wird. Spannend an diesem Ansatz ist, dass die chemische Bindung sehr stabil ist, das CO2 also lange Zeit im Abbruchbeton gespeichert werden kann. Zudem sind keine Risiken für Mensch oder Umwelt bekannt.

neustark: Schweizer Start-up speichert CO2 im Beton

CO2-Emissionen reduzieren

In der Theorie könnten diese verschiedenen Ansätze in der Schweiz also zwischen 10 und 15 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus der Luft abscheiden. In der Realität dürften es aus technischen, finanziellen und gesellschaftlichen Gründen wohl deutlich weniger werden. Selbst wenn das Potenzial annährend ausgeschöpft wird, entspricht es doch nur knapp einem Drittel des heutigen CO2-Ausstosses in der Schweiz von 43,4 Millionen Tonnen jährlich – ohne den Flugverkehr notabene. Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Negativemissionstechnologien keinesfalls dazu verleiten sollten, weiterhin auf fossile Energien zu setzen – das könnten die NET nicht kompensieren. Ihr Potenzial reicht aber aus, um die Emissionen aus jenen Bereichen und Anwendungen (z. B. Landwirtschaft, Industrie, Abfallverwertung) zu kompensieren, die sich nicht oder nur teilweise dekarbonisieren lassen.

Negativemissionstechnologien sollten keinesfalls dazu verleiten, weiterhin auf fossile Energien zu setzen.

Climeworks holt das CO2 aus der Luft

Viele Ansätze für NET mögen heute noch nach Zukunftsmusik tönen. Es gibt aber einige Techniken, die sich bereits am Markt etablieren konnten. Dazu zählt die DACCS-Methode des Schweizer Unternehmens Climeworks. 2009 als ETH-Spin-off gegründet, hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 150 Millionen Franken in Forschung, Entwicklung und Realisierung investiert und zählt heute 160 Mitarbeitende. Es hat an verschiedenen Standorten in Europa Anlagen gebaut, in denen CO2 aus der Atmosphäre abgeschieden wird. Im Herbst 2021 kam mit dem Projekt «Orca» in Island die bisher grösste Anlage dazu.

Technische Einrichtungen in einer verschneiten Landschaft
Die Kollektor-Container von Climeworks in der Orca-Anlage können jährlich je 500 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre abscheiden. (Foto: Climeworks)

Projekt «Orca» in Island

Die Anlage «Orca» besteht aus acht Containern mit Kollektoren, die CO2 aus der Atmosphäre filtern. Jeder Container kann pro Jahr 500 Tonnen CO2 abscheiden, die ganze Anlage also 4000 Tonnen. Der Kohlenstoff wird nicht weiterverwendet, sondern definitiv gespeichert, wofür Climeworks mit dem isländischen Partnerunternehmen Carbfix zusammenarbeitet. Dieses hat die Methode entwickelt, das CO2 in Wasser zu lösen und danach in Basalt zu injizieren. In einer Tiefe von 400 Metern reagiert die Flüssigkeit mit dem vulkanischen Gestein und wird in weniger als zwei Jahren mineralisiert. Das CO2 bleibt durch diesen natürlichen Prozess dauerhaft gebunden. Ob auch in der Schweiz Untergrundspeicher möglich sind, ist noch ungewiss – in Island sind die geologischen Bedingungen jedenfalls besonders geeignet.

Climeworks hat gerade ein nächstes, weit grösseres Projekt auf der Insel angekündigt: «Mammoth» soll pro Jahr 36’000 Tonnen CO2 aus der Luft holen.

Urban Sequoia – Mammutbaum in der Stadt

Etwas futuristischer mutet das Projekt «Urban Sequoia» an, das vom Architekturbüro Skidmore, Owings & Merrill (SOM) entwickelt wurde. Es basiert auf der Idee, dass Gebäude nicht nur CO2-Ausstoss verursachen sollen, sondern auch Negativemissionen ermöglichen. Konkret sollen sie so designt werden, dass sie CO2 aufnehmen und binden können. Erreichen wollen das die Projektentwickler, indem sie beispielsweise Biomaterialien und Techniken zur Kohlenstoffabscheidung integrieren. Gemäss SOM lässt sich das Konzept auf Gebäude aller Grössen und Typen anwenden.

Visualisierung einer futuristischen Stadt mit runden Hochhäusern und viel Grün
So stellt sich SOM die Stadt der Zukunft vor: Grüne Hochhäuser, die CO₂ abscheiden und binden können. (Bild: SOM)

Ein Hochhaus-Wald

Das Hochhaus soll wie ein riesiger Baum funktionieren, daher auch die Bezeichnung «Sequoia», also Mammutbaum. Das Gebäude verfügt im Innern vom Fuss bis zur Spitze über einen runden Hohlraum. Durch den Kamineffekt zieht dieser Luft an, die nach oben befördert wird. Unterwegs reinigen beispielsweise Algen diese Luft und Kollektoren filtern das CO2 heraus (DACCS). Der Kohlenstoff dient anschliessend als Ressource für die Industrie, die Landwirtschaft oder auch für Biotreibstoff. Ein Hochhaus soll bis zu 1000 Tonnen CO2 pro Jahr binden können – etwa gleich viel wie 50’000 Bäume. Die Vision des Architekturbüros ist, dass solche «Baum-Hochhäuser» überall auf der Welt entstehen und so CO2 in grossen Mengen aus der Atmosphäre entziehen können.

Mehr über die Rolle von CO2, über die Climeworks-Anlage im Zürcher Oberland und über das CO2-Speicherpotenzial von Hochmooren verrät unser Beitrag «Auswirkungen von CO₂ und Möglichkeiten der Reduktion».

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  • Paul Schenkel

    Vor 2 Jahren

    Diese Technologie braucht Strom, aber wieviel um eine Tonne CO2 aus der Luft zu nehmen ? Ich kann es kaum glauben dass sich das lohnt. Mit dem selben Strom könnte man ja ein Kohlekraftwerk ersetzen und somit dessen CO2 Ausstoss verhindern. Wie sieht diese Bilanz aus ? Wurde das mal durchgerechnet ?

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  • Daniel

    Vor 2 Jahren

    Wäre es nicht sinnvoller den kohlenstoff für methanisierung zu verwenden anstelle ihn einzulagern? Mindestens in einer Übergangsphase. Man hat dann zwar keine negative bilanz, aber die stromintensive technologie soweit «optimiert» das man damit fossile brennstoffe ersetzen kann.

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