Begrünte Fassaden kühlen Gebäude und Umgebung

Pflanzen an Mauern und Fassaden mindern die Hitze in Gebäuden und in Städten und fördern die Biodiversität. Sie brauchen aber auch Ressourcen. Wie steht es mit der Umweltbelastung und dem CO2-Abdruck?

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Teil einer Wohnhaus-Fassade mit Sprossenfenstern, die vollständig mit Efeu überwachsen ist

Pflanzen und Grünflächen kühlen die Umgebung. Besonders in Städten und anderen dichtbebauten Gegenden ist dies wichtig, denn Beton, Asphalt und Stein speichern die Wärme der Sonne und geben sie nachts wieder ab. Im Sommer überhitzen solche Gegenden häufig. Aber gerade dort fehlt oft der Platz für Grünflächen – zumindest auf dem Boden. Grün gedeiht aber auch gut auf Flachdächern sowie an Fassaden und sonstigen vertikalen Flächen.

Mehr Grün gegen Hitze in Städten

Pflanzen spenden Schatten und kühlen dank der Transpiration, also der Verdunstung über ihre Blätter, die Luft in ihrer Umgebung. An Fassaden und anderen Wänden steht noch viel Fläche zur Verfügung, die begrünt werden könnte. Fassaden- oder Vertikalbegrünungen gehören daher in vielen Städten zur Strategie für ein besseres Stadtklima. Gerade im Kontext von Verdichtung und steigenden Temperaturen respektive häufigeren Hitzeperioden kommt dem vertikalen Grün grosse Bedeutung zu.

Kühlpotenzial von begrünten Fassaden

Die Stadt Zürich hat im Rahmen ihrer Fachplanung Hitzeminderung verschiedene Handlungsansätze entwickelt und deren Wirksamkeit für ein besseres Stadtklima analysiert. Fassadenbegrünungen stellten sich dabei, neben weiteren Massnahmen, als eine der wirksamsten Optionen heraus.

Untersucht wurde, um wie viel Grad die unterschiedlichen Handlungsansätze die Umgebungstemperatur zu senken vermögen und in welchem Umkreis sie wirken. Als Basis für die Temperaturen bei Tag dient die tatsächlich empfundene Umgebungstemperatur, in der Fachsprache physiologisch äquivalente Temperatur (PET). Denn neben der Lufttemperatur beeinflussen auch die Luftfeuchtigkeit, die Windgeschwindigkeit und die direkte Sonneneinstrahlung das thermische Empfinden.

Der Bosco Verticale in Mailand zählt zu den ersten begrünten Hochhäusern. Solche gibt es inzwischen auch in der Schweiz, etwa den Garden Tower in Wabern bei Bern oder das «Gartenhochhaus» auf dem Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz. (Foto: Shutterstock/MC MEDIASTUDIO)

Niedrigere Temperaturen bei Tag und bei Nacht

Klimaökologisch begrünte Fassaden können gemäss der Wirkungsanalyse die tatsächlich empfundene Temperatur bei Tag um bis zu 6,6 °C senken, in einem Wirkbereich von 4–14 m. Nachts sind es maximal 1,7 °C (Lufttemperatur) in einem Bereich von 2–4 m Entfernung. Dachbegrünungen erreichen ähnliche Werte, wirken allerdings auf Dachniveau und nicht im Strassenraum. Daher sind Fassadenbegrünungen besonders wertvoll für ein besseres Stadtklima bei sommerlicher Hitze.

Stadtklima und Biodiversität profitieren

Neben dem Temperaturniveau profitiert auch die Luftqualität von Fassadenbegrünungen – sowie natürlich auch von Grün auf anderen Flächen. Denn die Pflanzen binden Feinstaub. Idealerweise bieten sie auch Unterschlupf, Nistplätze und Nahrung für Vögel und Insekten und tragen zur Biodiversität bei. Ab einem gewissen Volumen kann Fassadengrün auch Lärm mindern. Dank all dieser Faktoren steigert ein höherer Grünanteil die Aufenthaltsqualität im Stadtraum. Zudem wirken sich Pflanzen erwiesenermassen positiv auf das menschliche Befinden aus.

Fassadengrün verbessert das Raumklima

Die positive Wirkung entfaltet sich auch beim Aufenthalt in Gebäuden, wenn der Blick aus dem Fenster in die Natur oder zumindest auf Bäume oder eine Grünfläche fällt. Fassadenbegrünungen beeinflussen ausserdem das Raumklima im Gebäude. Denn im Sommer verschatten die Pflanzen die Fassade und dank der Transpiration an den Blättern ist die Luft kühler als ohne Begrünung.

Zusätzlich verhindert die Luftschicht zwischen Vegetation und Fassade, dass das Gebäude grosse Mengen Wärme aufnimmt. Dadurch wird einerseits weniger Wärme in die Umgebung abgestrahlt und andererseits auch weniger davon ins Gebäudeinnere transportiert. Im Winter wiederum wirkt die Fassadenbegrünung wärmedämmend.

An einem zweigeschossigen Gewerbebau aus Sichtbeton sind zwei Flächen vor der Fassade auf unterschiedliche Weise begrünt
Grün Stadt Zürich testet an der Zürcher Stadtgärtnerei unterschiedliche Begrünungssysteme. Links im Bild ist ein kombiniertes Trogsystem und rechts eine Vegetationswand zu sehen. (Foto: Grün Stadt Zürich)

Systeme für Fassadenbegrünung

Fassaden lassen sich auf verschiedene Weise begrünen. Auch Kombinationen von boden- und wandgebundenen Systemen sind möglich.

Bestehende Gebäude begrünen

Fassadenbegrünungen lassen sich nicht nur an Neubauten, sondern auch an vielen Bestandsbauten realisieren. Die Stadt Zürich beispielsweise möchte Vertikalbegrünungen als Bestandteil der Fachplanung Hitzeminderung fördern und auch eigene Gebäude vermehrt begrünen.

Hinter den Betonbrüstungen eines grossen Gebäudes wachsen verschieden Pflanzen.
Mehr als 4600 Pflanzen begrünen seit 2022 die Südfassade des Triemli-Turms in Zürich. Mit der Zeit wird der Bewuchs noch üppiger werden. (Foto: Adrian Reusser)

Um Erfahrungen zu sammeln, hat die Stadt als Modellprojekt die Südfassade des Turmgebäudes des Stadtspitals Zürich Triemli begrünt. Der sogenannte Triemli-Turm ist das in den 1960er-Jahren erbaute ehemalige Bettenhaus des Spitals. Von 2018 bis 2023 wurde der Turm saniert und für verschiedene medizinische und administrative Nutzungen neu ausgebaut. Seit März 2022 wachsen auf 16 Geschossen über 100 verschiedene Pflanzenarten in einem Regalsystem mit Trögen. Die Pflanztröge sind in den balkonartigen Vorbauten der Südfassade platziert.

Im Video zeigen Vertreter von Grün Stadt Zürich und der Landschaftsarchitekten Raderschallpartner die Begrünung des Triemli-Turms und erläutern Hintergründe und Herausforderungen des Projektes.   

Ökobilanz von Fassadenbegrünungen

Im Auftrag der Fachstelle Umweltgerechtes Bauen der Stadt Zürich (vormals: Fachstelle Nachhaltiges Bauen) ermittelte ein Team der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW die Ökobilanz der Fassadenbegrünung am Triemli-Turm über den gesamten Lebenszyklus. Unter Annahme einer Betriebszeit von 15 Jahren kamen die Forschenden auf folgende Werte:

  • Treibhausgase (THG): Die Fassadenbegrünung verursacht 80 t CO2-eq (CO2‑Äquivalente) an THG-Emissionen.
  • Energieaufwand: Der kumulierte Energieaufwand (KEA) beträgt 1,4 TJ oil-eq (Öläquivalente), davon sind 75 % nicht-erneuerbare Energie. Der KEA berücksichtigt sämtliche Energieaufwände für Produktion, Unterhalt und Entsorgung, einschliesslich der in den Produkten gespeicherten Energie.
  • Gesamtumweltbelastung: Sie summiert sich auf 227 Millionen Umwelt­belastungs­punkte (UPB) bei der Bewertung mit der Methode der ökologischen Knappheit. Diese Schweizer Methode gewichtet verschiedene Umweltauswirkungen in Relation zum angestrebten Umweltschutz- respektive Klimaschutzziel.

Material für Pflanztröge

Mit Anteilen von 65 bis 77 % schlägt die Produktion der Pflanztröge bei allen drei Werten am meisten zu Buche. Ausschlaggebend dafür ist das verwendete Hauptmaterial Chrom-Nickel-Stahl (CNS). Dessen Produktion ist sehr energieintensiv. Am Triemli-Turm kam das Material aus Brandschutzgründen zum Einsatz.

Die ZHAW-Forschenden berechneten vier Alternativszenarien mit Pflanztrögen aus Polyethylen (PE), Faserzement, glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und Recyclingstahl. Sie kamen zu dem Schluss, dass sich die Umweltbelastungen mit Pflanztrögen aus reinem Recycling-Chrom-Nickel-Stahl um 30 % reduzieren lassen.

Zwei Bilder zeigen die Begrünung eines Gebäudes aus zwei Perspektiven: als Blick von innen durch das Fenster und entlang des balkonartigen Vorbaus, auf dem die Pflanztröge platziert sind.
Wegen der Betonbrüstungen der Südfassade des Triemli-Turms ist von innen schon mehr vom Bewuchs zu sehen als von aussen. Auf dem Bild rechts sind die Pflanztröge und die geschossweisen Rankhilfen zu erkennen. (Fotos: Walter Bieri)

Längere Lebensdauer ist umweltfreundlicher

Ein weiterer Aspekt, der die Bilanzen stark beeinflusst, ist die angenommene kurze Lebensdauer der Fassadenbegrünung von 15 Jahren. Diese ist auf die vermeintliche Restbetriebszeit des Triemli-Turms zurückzuführen. Da jedoch das Gebäude soeben instand gestellt wurde, wird das Spital es wohl (hoffentlich) noch länger als 15 Jahre lang nutzen.

Als rechnerische Lebensdauer von Neubauten nimmt das SIA-Merkblatt für die Ökobilanzierung von Gebäuden 60 Jahre an. Eine Verlängerung der Betriebszeit von 15 auf 60 Jahre senkt die Umweltbelastungen der Fassadenbegrünung des Triemli-Turms gemäss den ZHAW-Berechnungen um 15 % pro Betriebsjahr.

Relation zum gesamten Gebäude

Über eine Betriebszeit von 60 Jahren trägt die Fassadenbegrünung zwar nur rund 1 % zur Umweltbelastung des gesamten Gebäudes bei. Nichtsdestotrotz lohne sich die Minimierung der Umweltauswirkungen von Fassadenbegrünungen, da Gebäude absolut gesehen einen erheblichen Anteil zu den nationalen Emissionen beitrügen, halten die Studienautorinnen und -autoren fest.

Neben einer langen Lebensdauer empfehlen sie, für die Pflanztröge Materialien mit hohem Recyclinganteil zu wählen, die sich am Ende ihrer Lebensdauer wieder rezyklieren lassen. Gut für die Ökobilanz ist es auch, die Anzahl der Pflanztröge zu verringern, etwa mit geschossübergreifender und/oder bodengebundener Begrünung. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Am Triemli-Turm beispielsweise verhinderten Brandschutzvorschriften geschossübergreifende Strukturen.

Insgesamt überwiegen die positiven Auswirkungen von Fassaden- respektive Vertikalbegrünungen. Die negativen Umweltauswirkungen sollten aber bei der Planung berücksichtigt und so weit wie möglich minimiert werden.