Geht Gebäudedämmung auch nachhaltig und ökologisch?

Zwei Drittel der Energie in einem Haus werden für das Heizen aufgewendet. Dieser Komfort wird immer kostspieliger – und schadet zudem unserem Klima. Ein wichtiger Faktor ist die Dämmung der Gebäudehülle. Nachhaltige Dämmstoffe spielen dabei eine immer grössere Rolle.

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Steinwolle-Pakete stehen auf einer Baustelle vor einem frisch gedämmten Gebäude

Auch wenn der Winter eher mild verläuft: Sobald die Aussentemperatur auf einstellige Werte sinkt, drehen die Heizungen in den Schweizer Häusern auf. Angesichts der angespannten Lage am Energiemarkt mit steigenden Preisen, aber auch der Erfordernisse des Klimaschutzes müssen alle Einsparmöglichkeiten genutzt werden. Im Jahr 2020 waren Gebäude in der Schweiz noch immer für fast ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich und man geht davon aus, dass rund eine Million Häuser energetisch dringend sanierungsbedürftig sind. Die Dämmung der Gebäudehülle spart also Geld sowie CO2 und macht uns gleichzeitig unabhängiger von Energieimporten.

Wie bewerte ich die Qualität eines Dämmstoffes?

In den letzten Jahren gab es im Bereich der Dämmmaterialien viele Neuheiten. Die Wahl des richtigen Dämmstoffes fällt dabei nicht leicht, denn viele Faktoren sind hier zu beachten. Die Qualität kann anhand mehrerer Kriterien bewertet werden. Eines davon ist der Dämmwert.

Der U-Wert

Für die Qualität der Dämmung ist ausschlaggebend, wie viel Wärme durch das Material dringen kann. Je weniger durchlässig der Dämmstoff ist, desto besser ist die Dämmwirkung. Gemessen wird dieser sogenannte Wärmedurchgangskoeffizient oder U-Wert pro Quadratmeter gedämmter Fläche. Er steht für die Wärmemenge, welche in einer Sekunde durch eine Oberfläche von 1 m2 bei einer Temperaturdifferenz von 1 °C zwischen dem Innen- und Aussenbereich fliesst.

Grundlage für Förderbeiträge

Interessant wird dieser Wert, wenn es darum geht, Förderbeiträge für eine energetische Gebäudehüllensanierung zu beantragen. Um für die Fassadendämmung Beiträge zu erhalten, darf das gedämmte Bauteil einen U-Wert von höchstens 0,2 W/m2K aufweisen. Die U-Wert-Verbesserung gegenüber dem Zustand vor der Dämmung muss mindestens 0,07 W/m2K betragen. Ausnahmen können für geschützte Bauten oder Bauteile beantragt werden. Dazu muss ein Nachweis erbracht werden, dass die geforderten U-Werte nicht realisierbar sind. Dann gilt ein U-Wert für diese Bauteile von maximal 0,3 W/m2K. Diese Werte gelten für den Kanton Zürich, in anderen Kantonen können andere Werte gelten.

Die Wärmespeicherkapazität

Ergänzt wird die Bewertung durch die Wärmespeicherkapazität. Sie gibt an, wie viel thermische Energie ein Material speichern kann. Je höher dieser Wert bei Bauteilen ist, die einen Raum umschliessen, desto langsamer heizt sich der Raum auf beziehungsweise kühlt er aus. Damit ist ein guter Schutz vor Kälte, aber auch vor Hitze gegeben. Denn auch in unseren Breitengraden werden die Sommer immer heisser – eine gute Gebäudedämmung hilft also das ganze Jahr über, im Gebäude eine angenehme Temperatur zu gewährleisten.

Welche Arten von Dämmstoffen gibt es?

Man unterscheidet zwischen mineralischen, synthetischen und organischen Dämmstoffen. Sie alle haben jeweils individuelle Beschaffenheiten.

Wand hinter Baugerüst mit verschiedenfarbigen Platten belegt
Eine gängige Dämmstoff-Kombination: Oben Steinwolle, ein mineralischer Dämmstoff, unten ein synthetisches Produkt als Schutz gegen feuchte Umgebung. (Foto: Thomas Elmiger)

Mineralische Dämmstoffe werden aus anorganischen Stoffen wie Stein, Sand oder Kalk hergestellt. Diese können sowohl synthetischen als auch natürlichen Ursprungs sein. Sie bieten einen guten Wärmeschutz, aber auch einen natürlichen Brandschutz. Der Vorteil liegt darin, dass keine weitere Behandlung des Stoffs mit Chemikalien notwendig ist. Ein weiterer Vorteil der mineralischen Dämmstoffe liegt in ihrer guten Feuchtigkeitsregulierung.

Synthetische Dämmstoffe bestehen aus Kunststoffen, die zu Hartschaumstoffen verarbeitet sind. Die Basis dafür ist Erdöl, was die synthetischen Dämmstoffe in punkto Nachhaltigkeit hinter die organischen und mineralischen Materialien verweist. Einen Teil davon machen sie jedoch durch ihre Langlebigkeit wieder wett. Sie verrotten kaum und werden durch ihren niedrigen Preis von vielen Hausbesitzern bevorzugt.

Organische Dämmstoffe bestehen meist aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen von Tieren oder Pflanzen. Um das Material besser zu binden und den Brandschutz zu verbessern, müssen sie oft bearbeitet werden. Hier kommen Imprägnierungen oder künstliche Fasern zum Einsatz. Deshalb sind auch organische Dämmstoffe meist nicht zu 100 Prozent nachhaltig. Ihre Ökobilanz ist aber dennoch meist besser als diejenige der mineralischen oder synthetischen Dämmstoffe.

Die Forschung im Dämmstoffbereich zielt vor allem darauf ab, neue Materialien organischer Herkunft zu entwickeln. Dabei steht eine möglichst nachhaltige Produktion und Umweltfreundlichkeit der Dämmung bei bestmöglichen Dämmwerten im Vordergrund.

Dämmung mit Pflanzenkohle

An der Empa wird aktuell ein neuartiges Dämmmaterial aus pflanzlichen Rohstoffen oder Abfällen erforscht. Das darin enthaltene CO2 soll durch eine spezielle Hitzebehandlung dauerhaft gebunden werden und so als CO2-Senke einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz liefern.

Pflanzenkohle soll im Hausbau zum Einsatz kommen und so langfristig CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. (Foto: Empa)

Zum Einsatz kommen dabei idealerweise Abfallprodukte aus der Land- und Forstwirtschaft, die zu Dämmmaterialien verarbeitet werden. Während ihres Wachstums haben die Pflanzen Kohlenstoff in Form von CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und gebunden. Dieser kann durch eine spezielle Hitzebehandlung dauerhaft fixiert werden und bleibt in der so entstandenen «Pflanzenkohle» stabil. Diese Wirkung bleibt auch über die Lebensdauer des Gebäudes hinaus erhalten. Denn die Pflanzenkohle kann nach dem Rückbau direkt in Äcker eingebracht werden. Dort erhöht sie die Fruchtbarkeit des Bodens und bleibt über Jahrhunderte bis Jahrtausende stabil.

Bis diese Neuentwicklung praxisreif ist, muss aber noch einiges an Entwicklung geleistet werden. Sämtliche Inhaltsstoffe der neuartigen Dämmmaterialien müssen für eine spätere Verwendung als «Dünger» geeignet sein. Zudem muss ein marktfähiges Dämmmaterial auch im Bereich der thermischen Isolation mit etablierten Produkten mithalten können und einen ausreichenden Brandschutz gewährleisten. Das Potenzial der Pflanzenkohle ist aber sowohl umwelt- als auch bautechnisch enorm.

Aerogel-Superdämmstoff aus Lignin

Eine weitere interessante Neuentwicklung, welche auf dem Prinzip der Aerogeldämmstoffe basiert, bietet ein Startup aus dem deutschen Osnabrück. Das neue Dämmmaterial besteht aus hochporösen Festkörpern mit einem Luftanteil von bis zu 99,98 Prozent. Dabei macht man sich die schlechte Wärmeleitfähigkeit von Luft zunutze. Aerogele gelten als Hochleistungsdämmstoffe, sind bisher jedoch synthetischen Ursprungs – mit allen Vor- aber auch Nachteilen.

Kleine Kügelchen in Glasgefässen, davor ein Stück Holz auf einer grünen Wiese
Das Ausgangsmaterial kann gemahlen und zu Platten gepresst werden, im Labor wurde eine rekordtiefe Wärmeleitfähigkeit von 0,017 W/(m*K) erzielt. (Foto: aerogel-it)

Die deutschen Forscherinnen und Forscher setzen nun für die Produktion des Festkörpers auf Lignin, ein Holzbestandteil, der etwa als Nebenprodukt bei der Papierherstellung anfällt und bisher kaum sinnvoll verwertet wird. Damit kann erstmals ein Hochleistungsdämmstoff produziert werden, der zu 100 Prozent biologischen Ursprungs ist und erst noch hilft, Ressourcen einzusparen. Nach der Nutzung kann das Material wiederverwertet werden.

Durch die niedrige Wärmeleitfähigkeit und den hohen Luftanteil ist die Aerogel-Dämmung im Vergleich zu herkömmlichen Dämmstoffen deutlich leichter und dünner. Dadurch wird Raum gewonnen, ein nicht zu unterschätzender Faktor in unseren immer enger werdenden Lebensräumen. Diese neue Technologie wird aktuell weiterentwickelt und soll ab 2024 zur Verfügung stehen.

Wo werden welche Dämmstoffe eingesetzt?

Welcher Dämmstoff bei einer Gebäudedämmung wo zum Einsatz kommt, ist das Ergebnis einer eingehenden Analyse aller Faktoren. Die vorhandene Bausubstanz, der Standort, die klimatischen Bedingungen, aber auch das Budget spielen neben weiteren Punkten eine wichtige Rolle.

Bei den organischen Materialien gibt es neue spannende Produkte, die neben ihrer eigentlichen Aufgabe, der Dämmung, auch einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit leisten. Zudem können es diese Entwicklungen mittlerweile auch in punkto Langlebigkeit mit mineralischen und synthetischen Materialien aufnehmen. Es lohnt sich also, eine umfassende Betrachtung anzustellen.