Performance Gap bei Minergie-Gebäuden etwa 10 Prozent

Warum der Energieverbrauch in Minergie-Gebäuden oft höher ausfällt, als es theoretische Berechnungen voraussagen? Minergie-Geschäftsleiter Andreas Meyer Primavesi sieht die Gründe primär beim Nutzungsverhalten und bei der Technik.

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Offenes Kippfenster, kaltes Licht von draussen

Nicht immer entsprechen die tatsächlichen Verbrauchswerte auch den Prognosen zum Energiesparpotenzial, auf die sich Gebäudelabels wie Minergie für die Zertifizierung stützen. So stellten Forscher der ETH Zürich und der Università della Svizzera Italiana USI kürzlich in einer bei Energie-Experten besprochenen Studie fest: Minergie-Häuser verbrauchen etwa 25 Prozent weniger Energie als herkömmliche Bauten. Die ingenieurbasierten Prognosen aber sind von einer Energieersparnis von rund 60 Prozent ausgegangen.

Ein lachender Mann in weissem Hemd und dunkelblauem Jacket

Abweichungen von den theoretischen Werten stellt man auch bei Minergie selbst fest, wie Geschäftsleiter Andreas Meyer Primavesi sagt. Allerdings falle der sogenannte Performance Gap bei den eigenen Berechnungen geringer aus: «Im Mittel wird in Minergie-Gebäuden etwa 10 Prozent mehr Strom verbraucht als es die Prognosen zum Energiesparpotenzial vorsehen.»

Warum die Performance Gap so unterschiedlich ausfällt, kann auch Meyer nicht mit Sicherheit beantworten. «Vielleicht basieren die Messungen der Forscher auf anderen Gebäudesamples.» Gerade in Bauten mit dem Label Minergie A oder Minergie P fällt der Energieverbrauch gemäss unabhängigen Studien im Mittel sogar unter die prognostizierten Werte.

Auch bei leicht erhöhtem Stromverbrauch fällt die Energiebilanz eines Minergie-Hauses ausserordentlich gut aus.

Trotz Performance Gap dürfe aber nicht vergessen gehen: «Auch bei einem etwas höheren Stromverbrauch als theoretisch vorgesehen, fällt die Energiebilanz eines Minergie-Hauses immer noch ausserordentlich gut aus.»

Einig ist sich Meyer mit den Forschern bei den Hauptgründen, die zu einem Performance Gap führen. Eine grosse Rolle spielen vor allem das Nutzerverhalten sowie technische Fehler.

Nutzungsverhalten erhöht den Energieverbrauch

Nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner eines Minergie-Hauses verhalten sich beim Stromverbrauch so, wie sie es theoretisch sollten. Wird zum Beispiel im Winter auf 23 statt der empfohlenen 20 Grad geheizt, steigt der Energiekonsum schnell einmal um 20 Prozent an.

Wir schreiben niemandem vor, wie lange er oder sie zu duschen hat.

Andreas Meyer Primavesi, Geschäftsleiter Minergie

Eine Rolle spiele ausserdem, ob in geheizten und mechanisch gelüfteten Räumen trotzdem Kippfenster offen stünden oder Storen auch im Winter heruntergelassen würden und so weniger Sonneneinstrahlung in die Räume dringe, sagt Meyer. Solche Entscheidungen blieben aber letztlich jedem selbst überlassen. «Wir schreiben niemandem vor, wie lange er oder sie zu duschen hat», sagt der Geschäftsleiter von Minergie. «Wir können nur informieren.»

Fehler bei Installation und Einstellung der Technik

Ein zu hoher Energieverbrauch aus technischen Gründen dagegen wäre oftmals leicht zu vermeiden, sagt Meyer. Gerade mit einer korrekten Inbetriebnahme von Heizung oder Warmwasser liesse sich viel Strom sparen. So seien etwa viele Heizungen heute so eingestellt, dass sie auch im Frühjahr noch angingen, wenn die Temperaturen einmal kurzfristig etwas sinken.

Mit einer korrekten Inbetriebnahme von Heizung oder Warmwasser liesse sich viel Strom sparen.

Wenig Sinn macht auch, wenn Warmwasser direkt elektrisch produziert wird. «Hier sollten zuerst Wärmepumpen und Solaranlagen zum Einsatz kommen und der Strom der Photovoltaikanlage dafür ins Netz eingespiesen werden», betont Meyer. Das liesse sich eigentlich mit wenigen Handgriffen ändern. «Nur werden Werkseinstellungen häufig nicht angefasst oder Fehler schlicht nicht erkannt.» Ein gutes Monitoringsystem könne hier viel beitragen.