Wir brauchen nicht immer gleich viel Wärme
Wie heizen und lüften Menschen also in gut isolierten Gebäuden? Wo stehen diese Verhaltensweisen im Konflikt mit den Bedingungen in ihrer Wohnung? Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Diesen Fragen wollten die Wissenschaftler Amelie Bauer, Simon Möller, Bernhard Gill und Franz Schröder auf den Grund gehen. Sie haben dazu Bewohnerinnen und Bewohner verschiedener energieeffizienter Mehrfamilienhäuser in München befragt.
Die untersuchten Gebäude waren alle im Einklang mit der deutschen Energiesparverordnung entworfen worden, wie die Autoren in ihrer Studie in der Fachzeitschrift Energy Research & Social Science schreiben. Die Verordnung sieht vor, dass Energieverluste beim Heizen in erster Linie durch eine bessere Wärmedämmung von Wänden und Fenstern, aber etwa auch durch eine vorteilhafte Fassadengestaltung reduziert werden. So weisen die Wohnblocks in der Studie zum Beispiel gegen Süden hin grosse Fensterfronten auf, während auf der Nordseite kleine Fenster sind. Die Verordnung hält als Ziel fest, mit möglichst wenig Heizenergie eine konstante Raumtemperatur von 19 Grad zu erreichen.
Solche Bedingungen haben jedoch wenig mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Mieterinnen und Mieter zu tun, glauben die Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität beziehungsweise der Metrona Union GmbH in München. Im Gegenteil: In ihren Gesprächen machten die Autoren ein sehr breites Spektrum an Temperaturen aus, das je nach Tageszeit, Aktivität oder Ort als angenehm empfunden wird: Fühlen sich manche der Befragten auch noch wohl, wenn an einem sonnigen Wintertag eine Zimmertemperatur von 27 Grad gemessen wird, ist anderen selbst die Basistemperatur von 19 Grad zu warm. Lüften einige nur alle paar Tage einmal die Wohnung durch, lassen andere die Fenster manchmal stundenlang offen oder gekippt. Viele Bewohner mögen es in der Stube warm, aber im Schlafzimmer eher kühl. Ob man zu Hause ins Schwitzen gerät oder es einem fröstelt, hängt zudem davon ab, was man dort macht: Verbringt man den Nachmittag mit einem Buch auf dem Sofa, scheuert man den Badezimmerboden oder holt gerade zwei Dutzend frisch gebackene Cupcakes aus dem Ofen?