So funktioniert das Recycling von Photovoltaikanlagen
Je mehr Solarmodule verbaut werden, desto mehr gelangen früher oder später in die Entsorgung. Ein Grossteil der Komponenten kann wiederverwendet werden, sofern das Recycling sorgfältig durchgeführt wird.
In den vergangenen Jahren hat sich die Photovoltaik (PV) hierzulande immer stärker etabliert. 2023 wurden laut Swissolar rund 1500 MW Leistung zugebaut, was 2024 eine Jahres-Stromproduktion von rund 6 TWh ermöglichen wird. Der Aufschwung bringt die Dekarbonisierung der Schweizer Energieversorgung voran. Er bedeutet aber auch, dass immer mehr Solarmodule nach etwa 20 bis 30 Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreichen und entsorgt respektive recycelt werden müssen. Wie funktioniert das? Und wie viele Komponenten lassen sich wiederverwenden?
Entsorgung und Recycling von Solarmodulen
PV-Module bestehen zu 80 bis 90 % aus Glas, das primär die Module vor Hagel und Verschmutzung schützt. Weitere 10 bis 20 % entfallen auf Metalle wie Kupfer, Silber (Lötverbindungen) oder Aluminium (Rahmen) und Kunststoffe. Der eigentliche Kern eines Moduls, der Halbleiter, macht nur einen kleinen Teil aus: bei Silizium-basierten Elementen rund 2 % des Gesamtgewichts, bei nicht Silizium-basierten gar noch weniger.
Metall macht Recycling rentabel
Muss ein Modul entsorgt werden, lassen sich praktisch alle Komponenten kostengünstig und effizient zurückgewinnen. Nicht nur das Metall, sondern auch das Glas kann wiederverwendet werden, zum Beispiel als Glas in Dämmstoffen für die Bauindustrie. Der eingesetzte Kunststoff hingegen gehört zu den minderwertigen Stoffen. Er wird nicht recycelt, weil sich die Wiederaufbereitung nicht rentiert. Dafür dient er in Kehrichtverbrennungsanlagen zur Produktion von Strom und Wärme (energetische Verwertung) oder wird in der Zementindustrie als Ersatz-Brennstoff verwendet. Auch die Metalle der Seltenen Erden werden nicht rezykliert – die Wiederverwertung ist aufwendiger als der Abbau neuer Vorkommen.
Umgang mit gefährlichen Stoffen
Die auf dem Markt gängigen Module enthalten kristallines Silizium, das aus Quarzsand gewonnen wird. Silizium ist umweltverträglich in der Verarbeitung und Entsorgung. Die Module enthalten also keine Schadstoffe in der aktiven Schicht. Allerdings war es früher noch erlaubt, mit bleihaltigem Lötzinn zu löten. Blei als Schwermetall darf nur unter bestimmten Bedingungen deponiert werden. Beim Recycling wird es deshalb in eine Metallschmelze gegeben und dort in der Schlacke deponiert. Auch Silber und Kupfer, die in Photovoltaikanlagen als Leitmaterial dienen, gehören zu den Umweltgiften. Sie dürfen nicht unkontrolliert in die Umwelt gelangen und gehen deshalb ins Metallrecycling.
Früher durfte mit bleihaltigem Zinn gelötet werden. Aus Sicherheitsgründen muss das Zinn aus alten PV-Modulen daher in der Metallschmelze entsorgt werden. (Foto: Pixabay / Bruno)
Vorsicht bei Dünnschicht
Rund 10 % der produzierten PV-Module basieren auf der sogenannten «Dünnschicht-Technologie», sodass verschiedene Schadstoffe enthalten sein können. Dünnschichtmodule kommen im Schweizer Markt selten vor, denn sie sind aufgrund ihres tiefen Wirkungsgrads nicht für Hausdächer geeignet. Dank ihrer geringen Dicke und der hohen Flexibilität werden sie aber beispielsweise in Taschenrechnern eingesetzt. Im Gegensatz zur Schweiz wurden sie in Deutschland öfter in freistehenden Solaranlagen verbaut.
Freisetzung von Schadstoffen
Eine mögliche Freisetzung der Schadstoffe in den PV-Modulen kann die Umwelt gefährden. Die Universität Stuttgart hat eine Abschätzung der potenziellen Umweltbelastungen durch Photovoltaikmodule vorgenommen. Mittels Auslaugexperimenten ermittelten sie die Freisetzung von Schadstoffen aus den Modulen im (teilweise) zerstörten Zustand im Kontakt mit Wasser. Eine Untersuchung aus den Jahren 2014 bis 2017 unter dem Titel «Schadstofffreisetzung aus Photovoltaik-Modulen» zeigte, dass einige der verwendeten Stoffe wasserlöslich sind. Schadstoffe wie Blei oder das karzinogene Cadmium können aus Bruchstücken von Solarmodulen fast vollständig herausgewaschen werden. Diese Gefahr besteht aber nur bei beschädigten Modulen – solange sie intakt sind, muss man keine Angst vor freigesetzten Schadstoffen haben.
Eine weitere Möglichkeit, ausrangierte Module wiederzuverwerten, könnte die Verwendung als Secondhand-Module sein. Bei rund der Hälfte der jährlich abgebauten Photovoltaik-Module würde gemäss Experten der Berner Fachhochschule die Leistung ausreichen, sie weiterzuverwenden. Der Einsatz solcher Module wäre insbesondere dort interessant, wo nicht genügend finanzielle Mittel verfügbar sind oder Nachhaltigkeitsüberlegungen eine wichtige Rolle spielen.
Durch unsachgemässe Handhabung werden jedoch viele Photovoltaik-Module nach der Demontage beschädigt, sodass sie für eine Wiederverwendung nicht mehr in Frage kommen. Ein grundlegendes Problem ist ausserdem der unzureichende Datenaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren und Stufen der Photovoltaik-Wertschöpfungskette, der zirkuläre Strategien erschwert. Hier kommt das Projekt Swiss PV Circle ins Spiel. Ziel des Projekts ist es, die Lebensdauer von PV-Modulen durch die Entwicklung von Geschäftsmodellen im Bereich Wiederverwendung zu verlängern. Dazu wird eine Plattform entwickelt, welche durch ein umfangreiches Datenmanagement die frühzeitige Bestimmung der zutreffenden Kreislaufstrategie ermöglicht. Diese datenbasierte Einschätzung soll durch ein standardisiertes Testverfahren gestützt werden, welches das Wiederverwendungspotenzial von PV-Modulen bestimmt. Dadurch können getestete Secondhand-Module zu einem günstigeren Preis auf den Markt gebracht und nur jene Module dem Recycling zugeführt werden, welche nicht mehr funktionsfähig sind.
Am Projekt Swiss PV Circle beteiligen sich neben dem Departement Technik & Informatik der Berner Fachhochschule, Swissolar und Sens eRecycling weitere Unternehmen aus der Schweizer Solar- und Energiebranche.
Wie funktioniert die Wiederverwertung von Photovoltaik-Modulen in der Schweiz? Roman Eppenberger, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Stiftung Entsorgung Schweiz (SENS), gibt Einblicke in die Recycling-Praxis.
Roman Eppenberger, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Stiftung Entsorgung Schweiz SENS. (Foto: SENS)
Anders als ein Elektrogerät kann man eine Solaranlage nicht einfach ins Fachgeschäft zurückbringen. Wie entsorgt man sie korrekt?
Wenn eine PV-Anlage durch Brand, Sturm oder Hagel beschädigt wurde oder das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hat, setzt sich der Anlagenbesitzer am besten mit einem Solarinstallateur seiner Wahl in Verbindung. Dieser unterbreitet ihm dann üblicherweise ein Angebot für die Deinstallation sowie den Neuaufbau der Anlage. Hat der Installateur einen Vertrag mit SENS eRecycling abgeschlossen, übernehmen wir das Abholen der palettierten PV-Module und das Recycling kostenlos. Der Installateur, der die Anlage abbaut, muss dafür einen Abholauftrag auf eRecycling.ch erfassen – dann werden die Module kostenlos zurückgenommen.
Was macht ein Besitzer, wenn nur einige Module beschädigt wurden, beispielsweise durch ein Unwetter?
Ein Privatbesitzer kann eine kleinere Menge, maximal zehn ausgediente Solarmodule, an jeder SENS-Sammelstelle gratis abgeben. Dies gilt unabhängig davon, ob beim Kauf der vorgezogene Recyclingbeitrag (vRB), der seit einigen Jahren erhoben wird, bereits bezahlt wurde oder nicht.
Wie viel kostet der Entsorgungsprozess insgesamt pro Tonne PV-Modul?
Wie auch bei anderen Elektrogeräten machen die Ausgaben für das Recycling nur rund ein Drittel der Gesamtkosten für die Entsorgung aus. Ein weiteres Drittel entfällt auf die Sammlung, eines auf den Transport und die Logistik. Pro Tonne PV-Module kostet die Entsorgung zwischen 400 und 500 Franken.
Worauf ist bei der Demontage und beim Transport zu achten?
Für das Recycling ist es wichtig, dass die PV-Module in unbeschädigtem Zustand sind und keine Bestandteile entfernt wurden. Bei beschädigten oder unvollständigen Modulen wird das Recycling teurer. Wichtig ist, dass die Module von Hand auf die entsprechend vorgesehenen Paletten gestapelt werden – eine Anlieferung als Schüttgut in Containern ist nicht erlaubt. Bei der Palettierung sollten die Laminate und die eingebetteten Zellen nicht beschädigt werden. Wir raten den Beteiligten jeweils, das oberste Modul umzudrehen, denn steht dieses zufällig in Kontakt mit anderen Modulen, kann es bei Sonneneinstrahlung noch Strom produzieren.
Demontierte Photovoltaikmodule müssen fachgerecht palettiert werden, damit sie den Transport unbeschädigt überstehen. (Foto: SENS; Montage: EnEx)
Was passiert mit den Modulen, wenn sie in der Sammelstelle ankommen?
Die Sammelstellen nehmen die PV-Module entgegen und sammeln sie, bis eine sinnvolle Menge vorhanden ist. Wechselrichter, Schaltungen und Elektronik verarbeiten die Elektronik-Recycling-Unternehmen im Auftrag von SENS. Die PV-Module, die zum Grossteil aus Glas bestehen, gehen weiter ins Flachglasrecycling. In der Schweiz existiert dafür mit der KWB Planreal AG ein spezialisierter Betrieb, der die Logistik für das Recycling koordiniert.
Die Demontage und das Recycling selbst erfolgen in einem deutschen Betrieb, der sich europaweit auf das PV-Recycling spezialisiert hat. Metallrahmen, Anschlusskabel und Anschlussdosen werden vom Modul getrennt. Der Glas-Wafer-Kunststoffverbund wird anschliessend geschreddert und aufgetrennt. Den Glas-Wafer-Anteil nutzt man in der Dämmstoffindustrie als Rohmaterial für die Produktion von Glaswolle, während die Kunststoff-Anteile in der Kehrichtverbrennung energetisch verwertet werden oder als Brennstoffersatz in der Zementindustrie dienen.
Können die elektronischen Komponenten weiterverwendet werden?
Nach rund 20 Jahren auf einem Dach ist die Funktionalität von Bestandteilen wie dem Wechselrichter oder der Anschlussdose oft nicht mehr optimal. Vor allem aber sind diese Komponenten technisch nicht mehr auf dem neusten Stand. Eine Weiterverwendung ist daher nicht sinnvoll.
Warum werden PV-Module nicht erneuert und weiterverwendet? Ist das technisch nicht möglich oder zu teuer?
Technisch wäre das durchaus möglich. Weil alte Module nicht die Wirkungsgrade moderner Module erreichen, ist das aber meist nicht erwünscht. Zudem muss man sich bewusst sein, dass bei Aufdach-Anlagen in der Schweiz rund zwei Drittel der Gesamtinvestitionen auf die Anlagenkosten entfallen, beispielsweise auf den Gerüstbau und die Montagearbeiten. Die Ausgaben für die PV-Module machen nur etwa ein Drittel aus, was ebenfalls gegen eine aufwendige Demontage, Aufbereitung und erneute Montage spricht. Es gibt aber Überlegungen, ob die qualitativ meist hochwertigen Module aus der Schweiz in anderen Ländern weiterverwendet werden können. Wir prüfen derzeit mit einer Fachhochschule, ob es einen Markt für einen solchen Second-Life-Einsatz gibt.
Im Projekt RENEW forschen das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und mehrere Partner an der Reparatur und Wiederverwendung von Photovoltaik-Modulen.
Der Markt für gebrauchte Module wächst rasant, denn die Ausbauziele für die Photovoltaik sind hochgesteckt. Hierfür brauchen wir jedes Modul – ob neu oder gebraucht – bis zum Ende seiner Betriebsfähigkeit im Betrieb.
Maximilian Engel, Projektkoordinator des RENEW-Projekts am ZSW
Gibt es Bestrebungen, den Prozess komplett in der Schweiz abzuwickeln?
Ja, die gibt es – aber heute ist der Schweizer Markt noch sehr klein. Mit den erwähnten 1000 t PV-Modulen, die pro Jahr entsorgt werden, lässt sich kein funktionierendes Recycling-Geschäftsmodell aufbauen. Aber die Mengen werden kommen, und daher sind erste Überlegungen im Gange, wie der gesamte Entsorgungsprozess inklusive Recycling in der Schweiz erfolgen kann.
Heute müssen PV-Module beim Recycling geschreddert werden, weil sich das Glas nicht von der umgebenden Folie trennen lässt. (Foto: Pixabay / Klas_lu)
Wohin geht der Trend beim Recycling von PV-Modulen?
Bis anhin wurden die Module im Recycling geschreddert und als Gesamtmischung in die Produktion von Glaswolle als Dämmmaterial im Bausektor gegeben. Seit 2024 wird das Wafermaterial vom Flachglas getrennt, sodass Flachglas in die Produktion von Flachglas gebracht werden kann. Das ist eine qualitative Verbesserung des Recyclings.
Entwickeln die Modulhersteller neue Designs, die das Recycling erleichtern?
Die Hersteller forschen nach wie vor hauptsächlich daran, den Wirkungsgrad der Module zu erhöhen. Eine einfachere Trennbarkeit der Komponenten beim Recycling steht dagegen nicht oben auf der Prioritätenliste.
Dieser Beitrag geht auf eine initiale Version von Sonja Köppel zurück, die nach über fünf Jahren nun komplett überarbeitet und aktualisiert worden ist.
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Kommentare: Was denken Sie?
Müller H.
Vor 1 Jahr
Ich wünschte mir auf jedem Gebiet solch sachlich fundierte Wissensvermittlung. Herzlichen Dank!
Thomas Elmiger
Vor 1 Jahr
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