Minergie setzt strengere Standards

Minergie setzt seit einem Vierteljahrhundert Massstäbe für energieeffizientes Bauen in der Schweiz. Zu seinem Jubiläum hat der Verein die Standards überarbeitet und nochmals verschärft.

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Helle Gebäudefassade mit vielen kleinen Fenstern im Hochformat und aussen angebrachten Sonnenstoren, die teilweise oder ganz geschlossen sind

Minergie steht bereits seit 25 Jahren für energieeffizientes Bauen. Zum Jubiläum hat der Verein nun seine Standards einmal mehr überarbeitet. Verschärft werden dabei besonders die Anforderungen beim sommerlichen Wärmeschutz von Gebäuden, bei den Treibhausgasemissionen der Baumaterialien und bei der Nutzung von Photovoltaik. Neu werden zudem alle von Bund und Kanton getragenen Gebäudelabel harmonisiert. Dazu gehört auch Minergie. Geschäftsleiter Andreas Meyer Primavesi fasst die wichtigsten Änderungen zusammen.

Besserer Wärmeschutz für künftige Hitzesommer

Der sommerliche Wärmeschutz von Gebäuden gehört zu jenen Themen, die in Zukunft noch mehr Raum einnehmen dürften. Ausschlaggebend für die Modellberechnungen bei Minergie sind nicht in erster Linie die Höchstwerte an einem Tag, sondern die sogenannten Tropennächte: Wenn es mehrere Tage lang auch nachts sehr warm bleibt, kühlen Gebäude nicht mehr richtig aus. Sie starten schon überhitzt in den nächsten Morgen. Die Wahrscheinlichkeitsmodelle für solche Hitzeperioden stützten sich bisher auf Daten aus vergangenen Sommern. In neun der letzten zehn Sommer haben die tatsächlichen Werte jedoch die hinterlegten Daten übertroffen.

Gebäude mit Minergie-Label müssen fortan den Nachweis erbringen, dass sie auch künftigen Hitzeperioden standhalten.

Neu soll der Wärmeschutz deshalb auf Klimadaten für die Zukunft basieren. Grundlage sind die Berechnungen des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie zur Temperaturentwicklung für die kommenden Jahrzehnte (Fachbericht als PDF). So kann die zunehmende Häufigkeit von Hitzesommern in der Schweiz besser berücksichtigt werden. Gebäude mit Minergie-Label müssen fortan den Nachweis erbringen, dass sie auch künftigen Hitzeperioden standhalten.

Treibhausgasemissionen beim Bau: Weniger Beton und Glas, mehr Holz und Lehm

Treibhausgasemissionen bei der Herstellung von Baumaterialien gehören zu den jüngeren Themen bei Minergie. Die Produktion von Beton, Stahl oder Glas verursacht sehr viel CO2. Eine konventionelle Bauweise mit solchen Materialien ist darum mit dem Minergie-Standard eigentlich nicht mehr vereinbar.

Holz, Lehm oder Zellulose weisen eine markant bessere CO2-Bilanz auf als Beton.

Minergie fordert deshalb in Zukunft einen zurückhaltenderen und effizienteren Einsatz von emissionsintensiven Baustoffen. Gleichzeitig muss viel stärker auf andere Materialien gesetzt werden: Holz, Lehm oder Zellulose weisen eine markant bessere CO2-Bilanz auf und sind natürlich nachwachsende Rohstoffe.

Photovoltaik: Dächer und Fassaden stärker für Stromerzeugung nutzen

Minergie-Gebäude müssen schon heute einen wesentlichen Teil der Energie selbst produzieren. Das Label Minergie A setzt sogar voraus, dass die Stromherstellung über das Jahr gesehen grösser ausfällt als der Stromverbrauch.

Modernes Wohnhaus mit Photovoltaikmodulen an der oberen Fassadenhälfte
Photovoltaikanlagen an Fassaden sind gerade für den Ertrag von Winterstrom eine vielversprechende Lösung. (Foto: Minergie)

Nun soll die Photovoltaik nochmals markant Schub erhalten: In Zukunft müssen Module auf der gesamten freien Dachfläche von Minergie-Gebäuden installiert werden. Der heute bestehende Spielraum diesbezüglich fällt weg.

Vielversprechend ist Photovoltaik an Fassaden besonders beim begehrten Winterstrom.

Ebenso sollen Fassaden stärker für die Produktion von Solarenergie genutzt werden. Ziel ist es, Photovoltaik bei grossen Gebäuden auch an den Fassaden obligatorisch zu machen. Noch sind aber einige Fragen offen, zum Brandschutz etwa. Vielversprechend ist der Einsatz von Photovoltaikmodulen an Fassaden besonders, wenn es um begehrten Winterstrom geht: Gerade die Südfassaden liefern bei tiefliegendem Sonnenstand sehr hohen Ertrag.

Kleinere Anpassungen sind auch beim Energie-Monitoring und der Wärmedämmung vorgesehen.

Energie-Monitoring

Das Energie-Monitoring von Minergie erfasst und wertet aus, wie viel Energie in einem Gebäude etwa für Heizung oder Warmwasser verbraucht wird. Dieses automatisierte Monitoring war bisher ab 2000 Quadratmetern Nutzfläche Pflicht. Neu soll diese aber bereits ab 1000 Quadratmetern gelten. Damit können Plan- und Messwerte künftig in allen Minergie-Gebäuden verglichen werden, mit Ausnahme von kleineren Mehrfamilienhäusern und Einfamilienhäusern.

Wärmedämmung

In der Wärmedämmung liegen die Ursprünge von Minergie: Welche Hülle braucht ein Gebäude, damit im Winter keine Energie verlorengeht und im Sommer die Hitze nicht eindringt? Bis Ende der Neunzigerjahre wurden Bauten in der Schweiz schlichtweg nicht gedämmt. Noch heute haben von den 1,7 Millionen beheizten Gebäuden in der Schweiz gut zwei Drittel keine Wärmedämmung. Natürlich wurden vielerorts Fenster ersetzt oder das Dach erneuert, nicht aber die Fassade. Bei Minergie-Gebäuden ist die Wärmedämmung dagegen weit fortgeschritten. Die Überarbeitung des Standards umfasst lediglich eine weitere Optimierung des Dämmwerts.

Harmonisierung der Gebäudelabel in der Schweiz

Neu steht für diesen Herbst ausserdem die Harmonisierung der von Bund und Kantonen getragenen Schweizer Gebäudelabel an. Die Minergie-Standards, der Gebäudeenergieausweis der Kantone GEAK und der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS sollen Energieverbrauch und Emissionen künftig auf dieselbe Weise berechnen und besser vergleichbar machen.

Alle Trägerorganisationen übernehmen darum fortan die Berechnungsmethoden, die auf der Normierung des GEAK basieren. Die Norm wird von den kantonalen Energiedirektoren genehmigt und ist demokratisch legitimiert.

Minergie wird zur alleinigen Betriebsorganisation für Schweizer Gebäudelabel. Im Verein laufen nicht nur Zertifizierung und Qualitätssicherung, sondern auch Kommunikation und Weiterbildung zusammen. So können in Zukunft alle Zertifizierungsanträge auf derselben Plattform eingereicht und erfasst werden. Ebenso lassen sich die verschiedenen Label auf diese Weise schon bei der Antragstellung vergleichen.

Ein neues Koordinationsgremium soll ausserdem dafür sorgen, dass strategische Entwicklungen der Trägerorganisationen aufeinander abgestimmt und gemeinsam vorgenommen werden. Mehrmals pro Jahr ist dazu ein Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Administration und Politik geplant. Grundlage aller Entwicklungen bleiben die drei Leitlinien: Klimapolitik, Energiestrategie des Bundes und Nachhaltigkeitsstrategie des Bundesrates.